Diversitätsentwicklung ist kein Sprint

Ein Gespräch mit Dr. Luise Hilmers vom Deutschen Roten Kreuz über Sinn und Wirkung von Diversity-Trainings

Schwarz-weiß-Porträt einer Frau mit dunklen, hochgesteckten Haaren, Perlenohrringen und dunklem Oberteil. Sie trägt eine auffällige Halskette mit länglichen, strahlenförmig angeordneten Metallstäben und blickt direkt in die Kamera.

Dr. Luise Hilmers, DRK

Dr. Luise Hilmers verantwortet beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) im Berliner Generalsekretariat die Diversitätsentwicklung. Seit 2020 begleitet sie Prozesse, um das DRK mit seinen vielen Landesverbänden, Kreisverbänden und Ortsverbänden zukunftsfähig, inklusiv und sensibel für gesellschaftliche Vielfalt aufzustellen. Warum Diversity-Trainings ein zentraler Baustein sind – und worauf es dabei ankommt, berichtet sie im exklusiven Interview mit Prospektiv.

Prospektiv: Dr. Luise Hilmers, warum beschäftigt sich das Deutsche Rote Kreuz überhaupt mit dem Thema Diversität?

Dr. Luise Hilmers: Ganz klar: wegen des Bedarfs. Wir sind ein großer Verband mit sehr heterogenen Arbeitsfeldern – von Katastrophenschutz bis Pflege, von Ehrenamt bis Kita. Wir müssen auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren können. Aber Diversität ist auch eine wirtschaftliche Frage: Wir müssen Fachkräfte gewinnen und binden. Gerade mit Blick auf neue Generationen und vielfältige Lebensrealitäten war uns klar: Wir müssen offener, zugänglicher und diversitätssensibler werden.

Prospektiv: Ihr habt gemeinsam mit Prospektiv zahlreiche Diversity-Trainings durchgeführt. Warum ging es dabei?

„Vielfalt gehört zum Selbstverständnis des DRK. Schon unser erster DRK-Grundsatz ‚Menschlichkeit‘ verpflichtet uns dazu. Wir wollen allen Menschen die Möglichkeit geben, sich aktiv einzubringen – im Haupt- wie im Ehrenamt. Und das können wir wirklich nur diversitätssensibel tun.“ Dr. Luise Hilmers

Dr. Luise Hilmers: Wir wollten die Verbände bei ihrer Diversitätsarbeit wirklich unterstützen – auch, weil viele uns signalisiert haben: „Uns fehlen die Instrumente.“ Daher haben wir verschiedene praxisnahe Schulungsformate für verschiedene Zielgruppen entwickelt: für unsere Öffentlichkeitsarbeit, Ehrenamt, Personalarbeit, Leitungs- und Führungskräfte. Aber eben auch – und das war uns sehr, sehr wichtig – dass wir auch die Möglichkeit für die Entwicklung eines eigenen Diversitätsleitbilds anbieten können.

Prospektiv: Was waren die Zielsetzungen der Teilnehmenden?

Dr. Luise Hilmers: Sehr unterschiedlich. Einige kamen mit Rückhalt ihrer Leitungen, mit klaren Anliegen. Andere waren Einzelkämpfer_innen mit Interesse, aber ohne viel Unterstützung. Manche wollten vor allem verstehen, welches Potenzial Diversitätsarbeit eigentlich bietet – für sich selbst und für ihre Organisation.

Prospektiv: Und was war euch bei den Trainings besonders wichtig?

Dr. Luise Hilmers: Zwei Dinge: Erstens, ein fundiertes Verständnis zu vermitteln – dass Diversität mehr ist als Genderfragen. Es geht darum, wie sehr uns das Thema persönlich betrifft, beruflich wie privat. Zweitens, den Praxistransfer: Die Teilnehmenden sollten kleine Projekte umsetzen – von einem Leitfaden für diversitätssensible Sprache bis hin zu inklusiver Meetinggestaltung oder Ehrenamtsabenden zum Thema Vielfalt.

Prospektiv: Wer sich mit Diversität beschäftigt, kommt nicht darum, sich auch mit sich selbst auseinanderzusetzen. Ist diese persönliche Reflexion auch eine Hürde?

Dr. Luise Hilmers: Meist nicht – unsere Formate sind freiwillig. Wer kommt, bringt in der Regel Offenheit mit. Trotzdem fordern wir die Teilnehmenden, sich selbst zu hinterfragen. Das ist nicht immer bequem, aber zentral.

Bid der Diversity-Kampagne beim DRK

Prospektiv: Was sind eure zentralen Learnings aus dem Prozess?

Dr. Luise Hilmers: Drei Dinge: Erstens – Führungskräfte müssen mitgenommen werden. Es bringt wenig, wenn Mitarbeitende motiviert sind, aber die Leitungsebene nicht mitzieht. Die Signalwirkung, wenn Vorstände selbst an Schulungen teilnehmen, ist enorm.

Zweitens – das Thema muss greifbar werden. Sobald verstanden wird, wie viel Mehrwert eine aktive Diversitätsentwicklung bringt, auch wirtschaftlich, steigt die Bereitschaft zur Veränderung spürbar.

Und drittens – es braucht Geduld. Diversität ist ein Prozess, kein Projekt mit klarer Deadline. Es braucht Zeit, Wiederholungen, Austausch – auch wenn es beim dritten Versuch noch nicht klappt, vielleicht dann beim vierten.

Prospektiv: Und zeigt sich das auch im Alltag beim DRK?

Dr. Luise Hilmers: Wir sehen schon erste Wirkungen – in Projekten, in konkreten Leitfäden, in neuen Formaten. Eine umfassende Evaluation planen wir zum Jahresende. Klar ist: Viele haben sich ernsthaft auf den Weg gemacht.

Prospektiv: Während ihr Vielfalt aktiv gestaltet, erleben wir andernorts Rückschritte. Droht auch hier ein Rollback – oder ist der Weg zu mehr Diversität unumkehrbar?

Dr. Luise Hilmers: Ja, das Thema Diversity geht aktuell definitiv durch herausfordernde Zeiten – das beobachten wir sehr genau. Trotzdem bin ich weiterhin zuversichtlich. Wir sehen nach wie vor eine große Nachfrage und ein wachsendes Interesse. Auch das Verständnis für den Mehrwert von Vielfalt – sei es ideell, im Hinblick auf Organisationsentwicklung oder wirtschaftlich – ist weiterhin vorhanden. Natürlich bleiben wir aufmerksam, was die gesellschaftlichen Entwicklungen betrifft. Aber wir sind überzeugt, dass der offene Blick auf Diversity bleibt und sich langfristig durchsetzen wird.

Prospektiv: Vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke in eure Arbeit. Es zeigt einmal mehr: Vielfalt braucht engagierte Meschen wie dich, Dialog – und einen langen Atem.

Ihre Ansprechpartnerin zum Thema Diversity

Jana-Madeline Staupe

Beraterin und Trainerin | Diversity Trainerin und Managerin | INQA-Coach

Fon 0231 55 69 76 – 12
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